Datenjournalismus vor dem Internet: Wetterbericht, Finanzdaten und Co.

Schaubild Datenjournalismus vor dem Internet

Formen von Datenjournalismus sind lange schon allgegenwärtig. Wetterberichte und -vorhersagen etwa begegnen einem andauernd: Im Radio, in der Zeitung, im Fernsehen – auf Monitoren im Nahverkehr der Großstädte, auf dem Smartphone und im Internet selbstverständlich auch. Wetterberichterstattung erfüllt zumindest einige Kriterien von Datenjournalismus – wenn wir den als Prozess und Veröffentlichungsform verstehen: Datensätze sind zentraler Bestandteil der Berichterstattung und es erfolgt eine unmittelbare Präsentation ihrer selbst – entweder als Rohdaten (z.B. Lottozahlen) oder in aggregierter Form visualisiert (bspw. Wetterkarten oder Börsenkurse).

Die erste journalistische Berichterstattung über komplexere Datensätze dürften Finanzinformationen gewesen sein. Börsen entstehen im 13. Jahrhundert. Aber seit wann gibt es Journalismus? Berichterstattung von staatlicher Seite ist uralt, geschieht mindestens seit Römerzeiten. Aber das war kein Journalismus, sondern eben Verlautbarung. Journalismus solte sich  durch Unabhängigkeit auszeichnen – zumindest in parlamentarischen Demokratien. Und auch historisch waren Zeitungen oft Vehikel für Informationen und Meinung, die den Herrschenden nicht unbedingt gefielen – andererseits aber eben auch immer Propagandainstrument (vor dieser Nutzung ist Datenjournalismus und vor allem das beliebte „Eye Candy“ der Infografiken auch nicht gefeit). Tageszeitungen kommen zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Europa auf; Berichterstattung über Finanzmärkte oder Wertpapiere dürften gleich Bestandteil dieser Periodika gewesen sein.

Komplexe Zusammenhänge

Bemerkenswerterweise ist das älteste Thema, über das datenjournalistisch berichtet wird – Finanzdaten –  eines, welches komplexes Zusammenhänge abbildet und Rückschlüsse auf gesellschaftliche Vorgänge zulässt: Die Entwicklung von Finanz- und Wertpapiermärkten spiegeln in gewissen Grad menschliches Handeln wieder (Produktion und Konsum); sie sind aber auch von natürlichen Gegebenheiten bedingt (z.B.: Ernteausfälle wegen schlechtem Wetter oder der Lage von Bodenschätzen).

Andere Formen dagegen sind sehr schlicht und liefern faktisch nur reine Zahlen; eine vorherige journalistische oder andersgeartete Aufbereitung ist nicht notwendig wie eben bei Lottoergebnissen. Staatliches Glücksspiel findet sich in Deutschland (in Herzogtümern usw.) bereits im 18. Jahrhundert (es gab sie in Europa schon früher, bspw. um Gelder für Bauten aufzutreiben) – die Ergebnisse werden in Zeitungen gestanden haben. Die Erhebung der Datensätze, die Ziehung der Lottozahlen, ist von so großem Interesse, dass sie teilweise sogar live im TV übertragen werden oder ganze Showformate um sie herum gestrickt werden.

Subgenre der Wetterberichte

Die systematische Sammlung von Wetterdaten verschiedener Regionen wurde Mitte des 19. Jahrhunderts durch den Morsetelegraphen möglich. Der erlaubte die Übermittlung von Informationen über lange Strecken in  kürzester Zeit. Mitterweile werden die Wetterinformationen über ein weltweites Netzwerk von Wetterstationen automatisiert gewonnen: Temperaturen, Niederschlagmengen, Windstärke- und Richtung, Luftdruck- und Feuchtigkeit werden gemessen; Satellitenbilder liefern zusätzliche Informationen.

Die Visualiserung dieser Informationen auf Karten gilt als selbstverständlich; im TV und im Web sind sie mitterweile animiert und zeigen Verläufe über einen Zeitraum an. Dass mit diesen Daten und weiteren Geoinformationen interessante Geschichten erzählt werden können, bewies Al Gore mit seinem erfolgreichen Dokumentarfilm zu seiner Vortragsreise „Eine unbequeme Wahrheit (An inconvienent truth) von 2006. Auch gibt es Subgenre des Wetterdatenjournalismus für spezielle Zielgruppen, etwa die Schifffahrt (Tidenhub, Strömungen, Windstärke usw.) oder Touristen, die Wassertemperaturen an Badestränden und Seen interessieren. Verwandt damit sind  noch Berichte zu seismographische Aktivitäten für Anrainer an Vulkanen oder Erdbebengebieten.

Crowdsourcing beim Verkehrsfunk

Sport wird seit Ende des 19. Jahrhundert organisiert in Vereine und Ligen betrieben – und damit beginnt auch der Sportjournalismus und die Veröffentlichung von Tabellen und Ranglisten. Und der institutionalisierte Verkehrsfunk schließlich kommt zu Beginn der 70er Jahre des vergangen Jahrhunderts auf. Er nutzte bald eine technische Finesse: Ein Sendeton („Ping“) ermöglicht es den Empfangsgeräten automatisiert zu erkennen, dass spezielle Informationen bereitstehen. Mittlerweile wird im Radio auch auf „Crowdsourcing“ zurückgegriffen: Hörer/innen können Verkehrsinformationen telefonisch, per SMS oder Email an die Redaktionen melden – und werden auch dazu aufgefordert.

Die althergebrachten Formen von Datenjournalismus sind klar auf einen spezifischen Themenbereich konzentriert; die Quellen, die Art der Erhebung der Daten sind bekannt und oft Ämter oder bekannte Institutionen – allerdings unterliegen alle diese Daten (außer Verkehrs- und Wetterinformationen) einem gewissen Grad an Manipulationsgefahr- und interesse. Die Datensätze liegen in klar strukturert vor; bei der Verkehrsinformation etwa: Standort (z.b. A1 bei Autobahnkreuz xy) Grad der Verkehrsstörung (Stau, zähflüssig, Sperrung usw.), Länge (bspw: 4 KM), Sie lassen sich damit maschinell verarbeiten. Dass Sportberichterstattung sich zumindestens in Teilen automatisieren lässt – Robotorjournalismus- liegt in den klaren Definition ihrer Spielregel begründet.

Neue Qualität des modernen Datenjournalismus

Die neue Qualität des Online-Datenjournalismus (oder data-driven-journalism – DDJ) besteht darin, dass er interaktive Rechercheumgebungen in großen Datenbeständen ermöglicht, etwa so genannte Mash-ups auf Karten; sprich die Nutzer/innen – ob Journalist/innen oder Leser/innen – können nach individuellen Interessen in den Datenbeständen recherchieren oder Vorgänge beobachten (monitoren). Und entgegen des klassischen Datenjournalismus kann der moderne durch leistungsfähige Software auch komplizierte gesellschafltliche Vorgänge und Zusammenhänge aufbereiten und on-demand abbilden – siehe Top Secret America der Washington Post oder die Aufbereitung der Afghanistan WarLogs beim Guardian.

Moderner Datenjouranlismus kann wie der althergebrachte sehr serviceorientiert sein, siehe zum Beispiel das Angebot der NYT Is it better to rent or buy? Versucht DDJ aber,  komplexe gesellschaftliche oder auch natürliche Zusammenhänge verständlich zu machen, sollte sehr genau das verwendete Datenmaterial auf seine Verlässlichkeit geprüft werden. Die Frage „cui bono“ – wem nützt es – sollte sowieso an Informationen angelegt werden.

Die erste Datenjournalistin

Zum Schluss noch ein Hinweis auf eine der ersten Datenjournalistin überhaupt: Der Guardian schrieb neulich über Florance Nightingale (1820 – 19210), die im kollektiven Gedächtnis als Krankenschwester abgespeichert ist, dass sie eine der ersten Datenjournalistinnen gewesen sei. Sie war sehr innovativ im Einsatz von Infografiken in ihren Berichten über die Mortalitätsraten britischer Soldaten (1858) und entwickelte diverse Visualisierungsformen weiter.

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