Datenjournalismus – Wohin geht die Reise?

Am Dienstag, 20.03.2012, war ich in Wien und sprach im Rahmen der Veranstaltungsreihe twenty.twenty. Sprich, der Aufhänger war das Jahr 2020. Unten ist mein Vortrag als Video eingebettet (20 Min.). Nach einem kurzen Abriss zu Datenjournalismus an sich ging es weiter darum, wie Onlinejournalismus in den nächsten Jahren durch datenjournalistische Methoden im weiteren Sinne geprägt werden könnte – wie neue Geräte und neue Technologien dabei eine Rolle spielen. Die gesamte Veranstaltung mit der auf den Vortrag folgenden  Diskussion lässt sich hier betrachten. Unterhalb des „Bewegtbilds“ findet sich noch der Pressetext zur Veranstaltung, der auch die Mitdiskutanten vorstellt.

„Wien (OTS) – Die achte Veranstaltung der Reihe twenty.twenty, die von A1, The Gap und SmartWeb.Vienna organisiert wird, trug den Titel „Geschichten aus dem Datenwald“. Datenjournalismus beziehungsweise Data Driven Journalism wird aktuell als die große Innovation im Journalismus bezeichnet. Die interaktive Aufbereitung von Daten bringt nicht nur neue Medien-Formate, sie stellt Journalisten und Medienhäuser vor neue Herausforderungen. Nach der Keynote von Lorenz Matzat, der mit seinem Unternehmen Open Data City einige der meist beachteten Datenjournalismus-Projekte in Deutschland realisiert hat, wurde im Wiener HUB leidenschaftlich darüber diskutiert, wie und warum Datenjournalismus auch in Österreich stärker Fuß fassen kann und soll.

In seinem Einführungs-Statement zeigte Lorenz Matzat, was er unter dieser Kombination von Recherchemethode und Veröffentlichungsform versteht. Mit seinem Unternehmen Open Data City hat er etwa das Projekt „So pünktlich ist die Bahn“ für die Süddeutsche Zeitung  umgesetzt. Die Rohdaten werden hier in einer interaktiven Anwendung aufbereitet, die ganz individuell genutzt werden kann. „Wir sind umgeben von Datensammlern.“ Damit meinte Matzat die  Unmenge von Geräten und Sensoren, die Informationen bereitstellen können. Die Aufgabe des Datenjournalismus besteht darin, sie
nutzbringend für die Gesellschaft und Einzelanwender aufzubereiten.

Datenjournalismus hat eine lange Tradition

Daniela Kraus, Geschäftsführerin des fjum_forum journalismus und medien wien betonte, dass Datenjournalismus eine lange Tradition hat und verwies auf ein Projekt aus dem Jahr 1967. Damals hat der Journalist Phil Meyer mit seinem Team die Ursachen für Unruhen in
Detroit analysiert, in deren Verlauf 43 Menschen starben, indem er Daten mit Computern analysierte. Die Grundlagen für Datenjournalismus sind für Kraus gar nicht so neu. Neu sind die Möglichkeiten für die  interaktive Aufbereitung in Online-Anwendungen. Für den Umgang mit diesen Daten braucht es aber auch sozialwissenschaftliche Kompetenz
und die Fähigkeit zur Quellenkritik.

Ein Baustein für eine transparentere Gesellschaft

Der Kommunikationswissenschaftler und Journalist Günter Hack betrachtete das Thema aus einer kybernetischen Perspektive: „Wir sehen aktuell eine große Asymmetrie: Staat und Unternehmen sammeln immer mehr Daten über die Bürger und wissen in Teilbereichen mehr über die Menschen als diese über sich selbst.“ Wenn zumindest einige
dieser Daten für die weitere Analyse und Aufbereitung durch Zivilgesellschaft und Medien offenliegen würden, wie etwa im Bereich Open Government Data, könnte sich diese Asymmetrie ansatzweise ausgleichen lassen.

Datenjournalismus ist Teamwork

Mit dem Datenjournalismus ändert sich auch das Rollen-Verständnis der Journalisten. Der Visualisierungsexperte, Mitbegründer und Creative Director des Wiener Designstudios Strukt Andreas Koller sieht solche Projekte immer als Teamwork. Journalisten, Programmierer und Designer arbeiten eng zusammen, um die Daten verständlich und
grafisch ansprechend zu präsentieren. Und auch die Anwender werden immer stärker in den Prozess miteinbezogen. Günter Hack formuliert es so: „Die Schwarmintelligenz wird wichtiger als die klassischen Leitartikler.“

Keine Angst vor dem Boulevard

In der Diskussion herrscht Einigkeit darüber, dass die österreichische Medienlandschaft eher strukturkonservativ agiert. Die Online-Redaktionen sind nach wie vor personell schwächer ausgestattet als etwa die Printredaktionen. Und das obwohl Projekte im Datenjournalismus meist sehr ressourcenintensiv sind. Daniela Kraus: „In Österreich hätte man als Medienunternehmen durchaus die Chance, Pionier zu sein, was Datenjournalismus betrifft.“ Vor allem das wirtschaftliche Potenzial wird vielfach noch bezweifelt. „Lady Gaga-Stories“ sind in der Erstellung günstiger und bringen vergleichsweise mehr Klicks. Um die Methoden und Tools des Datenjournalismus zu etablieren, sollte man sich nicht „zu schade sein“ auch populäre Themen aufzugreifen, meinte ein Besucher der Veranstaltung. Ein Beispiel dafür sind etwa Wetterdaten.

Businessmodelle für Datenjournalismus

Matzat nannte in seiner Keynote das Beispiel der Texas Tribune,  die hauptsächlich wegen ihres umfangreichen Datenangebotes besucht wird und so auch signifikante Werbeerlöse generiert. In Zukunft sollte es auch verstärkt möglich sein, hoch spezialisierte und personalisierte Angebote zu vergebühren. Und schließlich können mit den gesammelten Daten neue Geschäftsfelder erschlossen werden. Ein Prinzip des Datenjournalismus ist nämlich, die Rohdaten für die weitere Verwendung zur Verfügung zu stellen.

Bis 2020 wird noch viel über das Thema diskutiert werden. Außer Streit steht aber, dass Datenjournalismus einen Mehrwert für die Gesellschaft und die Medien bieten kann.“

2 Gedanken zu „Datenjournalismus – Wohin geht die Reise?“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert