Über das Datenprojekt Rechtes Land & das Potential von Crowdfunding im Journalimus

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Es hat erfreulicherweise geklappt: Das Projekt Rechtes Land hat innerhalb knapp drei Wochen und 10 Tage vor Ende der Laufzeit das Ziel von 5000 Euro per Crowdfunding erreicht. Dafür ist 375 Personen zu danken, die bisher bereit waren, Geld beizusteuern.

Wie kam es zu dem Projekt?

Vor etwa einem halben Jahr hatte ich einen Artikel über das „Versagen des Journalismus“ in Sachen National Sozialistischer Untergrund (NSU) geschrieben. Meine These lautete, dass wir, die journalistische Zunft, als „vierte Macht“ im Staate nicht unseren Aufgaben nachgekommen waren. Den wohlfeilen Behauptungen und Lügen aus den Sicherheitsbehörden und von manchen Politikern wurde (und wird immer noch) trotz besseren Wissen von Seiten vieler Journalisten nur zu gerne geglaubt.

In dem Text hatte ich auch skizziert, wie ich mir eine Aufarbeitung der Thematik in einem Onlinemedium gewünscht hätte: Als eine Art stetig wachsende Faktensammlung, einem interaktives Dossier.

Selbst habe ich damals dann den Twitteraccount @nsuwatch eingerichtet. Der wird durch Tools Twitterfeed und Yahoo-Pipes automatisch (und manchmal auch händisch) mit Links auf Beiträge diverser Websites von Tageszeitungen, Blogs etc. zum Thema NSU beschickt. Der Account ist mittlerweile an das Berliner Antifaschistische Pressearchiv – apabiz – übergegangen. Der Verein betreibt seit einigen Monaten auch ein Blog NSUwatch; dort finden sich auch ein Datenbeitrag in Form einer Zeitleiste zum NSU.

Eben an apabiz bin ich vergangenen Herbst mit der Idee eines Onlinedossiers im Kopf bin ich dann an Ende Sommer vergangenes Jahres herangetreten. Das Konzept für Rechtes Land stand in den Grundzügen recht bald. Zwei Personen, die als Datenredakteure arbeiten würden, wurden gefunden. Ein reiner Fokus auf den NSU wäre viel zu schmal gewesen; klar war, dass zur Darstellung von Neonazismus in Deutschland eben ein breites Themenspektrum dargestellt werden muss. Und auch Platz für Engagement gegen Rechts, aber eben auch für Historisches sein sollte. Der Einsatz einer interaktiven Karte lag auf der Hand. Selbstredend lag das in meinem Interesse, weil es auch einen Test für die Kartensoftware Lokaler bedeuten würde, an der wir seit 2011 arbeiten und die prinzipiell für die redaktionell gesteuerte Aggregation unterschiedlicher ortsbezogener Daten konzeptioniert ist.

Es gab Diskussionen über den Namen Rechtes Land; manchen war er zu hart, zu pauschalisierend. Was für ihn sprach, dass er griffig und gut zu merken ist (und auch die Domain und der Twitterhandle noch zu haben waren). Um den provokativen Titel zu entschärfen, musste dann der Untertitel, der Claim, herhalten. In linken Gruppen kann man über so etwas lang und breit diskutieren. So ist der Begriff der „extremen Rechten“, wie er jetzt im Untertitel auftaucht – Atlas zur extremen Rechten und zu Neonazi-Vergangenheit – umstritten: Inwiefern der Begriff des politischen Extremismus Sinn macht, ist nämlich durchaus zu diskutieren (pdf).

Wie dem auch sei – von Anfang an war klar: Die Finanzierung sollte per Crowdfunding geschehen. Nicht zuletzt ging es auch um ein Experiment; nämlich, ob solche Vorhaben eben auf diese Weise finanzierbar sind. Das apabiz hatte vor einiger Zeit bereits eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne für ein an Schüler gerichtetes Projekt gestartet.

Hinsichtlich Rechtes Land war die erste Idee, als Multiplikatoren mehrere Tageszeitungen als Medienpartner  für den Aufruf zum Crowdfunding zu gewinnen – als Gegenleistung hätten die dann z.B. die Karte bei sich exklusiv im Webauftritt einbinden können. Von den Zeitungen sollten Abos etc. bereitgestellt werden, die als Anreiz, am Crowdfunding teilzunehmen, dienen sollten: Etwa „für 50 EUR für drei Monate die Zeitung X erhalten“. Allerdings zeigte nur eine der angesprochenen Redaktionen Interesse; weil aber nur eine Zeitung als Sponsor durch seine Marke das Projekt zu sehr geprägt hätte, verwarfen wir das Konzept der Medienpartnerschaft.

Warum hat es nun geklappt?

Das Bundesfamilienministeriums unter CDU-Ministerin Schröder hat unlängst zwei Millionen Euro für den Aufbau von BIKnetzPräventionsnetz gegen Rechtsextremismus freigegeben. (Siehe dazu diese Informationsfreiheitsgesetzanfrage zu den Kosten und den Beitrag in der FR, wo BIKnetz als mehr oder minder überflüssig bezeichnet wird).

Insofern nehmen sich 1/400 der eben genannten Summe, 5000 Euro, als recht bescheiden aus. Sie signalisiert: Hier wird sich niemand bereichern. Schaut man auf die 50 bei Startnext unter der Rubrik „Journalismus“ gelaufenen Projekte, lagen die erbetenen Summen der 21 erfolgreich abgeschlossenen nie höher als 5000 Euro – meist ging es um Beträge zwischen 2000 bis 5000 Euro.

Vielleicht wären für Rechtes Land auch 10.000 Euro drin gewesen. Was aber wesentlich mehr Kampagnenaufwand bedeutet hätte. Zum jetzigen Zeitpunkt sieht es so, dass 375 Personen im Durchschnitt in etwa 13 Euro gegeben haben; einige wenige steuerten sogar 100 Euro und mehr bei und 25 Personen nahmen das Angebot an, für 30 Euro sechs Ausgaben des Rundbriefs des apabiz zugeschickt zu bekommen.

5 EUR ohne dafür eine individuelle Gegenleistungen zu bieten, scheint jedenfalls der richtige Ansatz gewesen zu sein. Statt einem Exemplar eines Produkts (Gadget, Game) wird ein offen zugänglicher Atlas, der einen langfristigen Gebrauchswert hat. Letzteres halte ich wesentlich für den Erfolg des Crowdfundings in diesem Fall; klassische journalistische Produkte wie Textbeiträge dürften es dagegen schwerer haben – selbst wenn sie ein hochinteressantes Thema oder eine notwendige Recherche planen. Denn investigative Vorhaben sind mit Crowdfunding kaum vorzufinanzieren, weil sie in der Regel im verborgenen stattfinden müssen. Ob es sich als eine relevante Methode zur Finanzierung journalistisch ausgerichteter Vorhaben etablieren kann, muss sich zeigen: Ende Januar 2013 startet hierzulande die Plattform Krautreporter.

Wichtig ist sicherlich auch die Präsentation der Idee. Wir hatten ein Video produziert (mit derzeit über 6000 Aufrufen) – wie es bei dieser Art Crowdfundingplattformen generell verlang wird – in dem erläutern zwei Personen, was sie von dem Vorhaben halten bzw. warum es nützlich ist. Das war offenbar glaubwürdig (und dankenswerterweise von 2470media, der Firma hinter den berlinfolgen, gefilmt worden). Auch war ein wenig der Prototyp des Atlas‘ in Aktion zu sehen. So wurde eben nicht nur ein abstraktes Konzept erläutert, sondern auch gezeigt, wie die Website dann genutzt werden kann.

Für die Plattform Startnext haben wir uns entschieden, weil das apabiz dort eben schon einmal erfolgreich war. Auch ist sympathisch, dass die Plattform nicht einige Prozent der eingeworbenen Summe einbehält – wie etwa bei Kickstarter, das in Deutschland (noch) nicht verfügbar ist oder anderen Plattformen üblich. Vielmehr kann jeder Geber selbstbestimmen, ob und wieviel er an Startnext zahlen möchte.

Tatsächlich müsste so ein Projekt mit 50.000 Euro ausgestattet sein. Aber wie kommt man an solches Geld ohne A. enormen Antragsaufwand zu betreiben; ohne B. in Konkurrenz mit dem in diesem Bereich ohnehin schmalen Töpfe zu treten sowie ohne C. Abstriche am Konzept zu machen bzw. eben die Unabhängigkeit zu verlieren?

Letztlich geht es bei der dann endgültig erreichten Summe von gut 5000 EUR um einen Anfang. Der bestehende Prototyp des Atlas‘ wird zur Veröffentlichungsreife gebracht – das Geld wird als Anschubfinanzierung genutzt. Neben dem Recherchieren, Aufarbeiten und Einpflegen von Daten sowie dem Aufbau eines Wikis werden Schritte eingeleitet, Kontinuität zu gewährleisten.

Mit einem ersten Kooperationspartner laufen schon Gespräche. Und mehr Angebote zur Zusammenarbeit oder Unterstützung sind jederzeit willkommen. Selbstverständlich  kann das Projekt bis Ende des Monats – und darüberhinaus – finanziell unterstützt werden.

Ich bin gespannt, wie es weitergeht.

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