Was tun mit der kommenden Wikileaks Veröffentlichung?

wikileaks tweet november 2010

Seit gestern zeichnet sich ab, was die angekündigte nächste Veröffentlichung von Wikileaks zum Inhalt haben könnte: „Next release is 7x the size of the Iraq War Logs. intense pressure over it for months.“

Laut einem Bericht von Bloomberg würden die New York Times, der Guardian und der Spiegel bereits an Dokumenten aus dem Außenministerium der USA arbeiten. Demnach erwarte man seitens der US-Regierung, dass bereits ab dem 26. November (morgen) hundertausende Korrospondenzen aus dem internen Schriftverkehr von diplomatischen Einrichtungen etc. veröffentlicht werden könnten. Seitens Wikileaks ist die Rede von der siebenfachen Menge der Irak-Tagebücher  (390.000 Einträge) – also insgesamt rund 2,7 Millionen Datensätze.

Was ist zu erwarten?

  1. Es ist unklar, ob der gesamte Datensatz nach Veröffentlichung allen unmittelbar zugänglich gemacht wird – bei den Afghanistan Tagebüchern war es so, bei den Irak Tagebüchern nur über spezielle Seiten.
  2. Wikileaks unter Ägide von Julian Assange mag zur martialischen Sprache neigen („new world, where global history is redefinend“) – aber bislang war sich auf die Ankündigungen der Organisation zu verlassen. Die Administration in den USA scheint offenbar zu wissen, zumindest in Teilen,  um welche Datensätze es sich handelt und bereitet sich auf stressige Zeiten vor. Und unwahrscheinlich ist es nicht, dass Wikileaks weiterhin auf die Medienpartner NYT, Guardian und Spiegel setzt, mit denen bereits zweimal offenbar verlässlich zusammengearbeitet werden konnte.

  3. Die Menge von 2,7 Millionen Datensätze deutet darauf hin, dass es sich wohl um einen längeren Zeitraum handelt, der in den Dokumenten behandelt wird. Wenn durch ihre Inhalte wirklich die „Geschichte neu definiert“ werden soll, liegt nahe, dass es sich um einen Vorgang aus jüngerer Zeit handelt. Weltweit ist sicherlich das kontroverseste Thema der „War on Terror“. Insofern könnten die Vorbereitung und Begleitung der Kriege gegen Afghanistan und Irak Inhalt sein  und dann tatsächlich in den „coming month“ für einigen Wirbel sorgen.
  4. Aber das sind bislang Spekulationen. Es kann es sich aber auch um ganze andere Themen handeln, etwa Finanz- und Transaktionsdaten, die die Zusammenhänge der Finanzkrise in ein neues Licht rücken. Immerhin ist Wikileaks darin erfahren, seine Fährten zu verschleiern. So kursiert ein öminöses „Insurance File“ von Wikileaks in Tauschbörsen, das sehr ordentlich verschlüsselt ist. Ob diese „Versicherung“ aber tatsächlich von Wikileaks stammt und wirklich brisante Inhalte enthält, ist nicht bekannt.

Wie können sich nun Redaktionen und Journalisten auf die neue Wikileaks Veröffentlichung vorbereiten – vor allem wenn sie nicht vorab Zugang dazu haben?

Auch wenn eine Redaktion oder einzelne Journalisten nicht zum erlauchten Kreis gehören, die Vorab auf die Datensätze zugreifen können, wird es nach ihrer Veröffentlichung möglicherweise einen Zugriff geben, wie ihn Wikileaks für die Irak Tagebücher selbst zur Verfügung stellte (Diary Dig, Kooperation mit Owni).

Die offensichtlichen „Scoops“ und „Skandale“, die die Datensätze möglichweise enthalten, werden die vorher bedachten Medien bereits gleich zu Anfang bringen. Insofern wird es den Nachzüglern nur übrig bleiben, sich mit Ausdauer auf den Datenwulst zu stürzen.

  1. Wenn die Spekulation stimmt, dass es sich um den „War on Terror“ handelt, lässt sich jetzt bereits eine Liste von Personen (z.B. Guantanamo Häftlinge), Orten, Zeitpunkten und speziellen Eigennamen zusammenstellen, die dann entweder händisch oder automatisiert auf den Datensatz losgelassen werden kann.
  2. Weiter sollte spätestens am Tag der Veröffentlichung überprüft werden, welche Spezialisten in den Redaktionen sitzen, die sich in Teilaspekten der Thematik gut auskennen, um sie dann auf Recherchereise in den Datensatz zu schicken. Ebenfalls wird es vermutlich jeweils nationale/regionale Schwerpunkte geben, mit denen der Datensatz angegangen werden kann.
  3. Online und Print-Redaktionen von Zeitungen sollten von Anfang an zusammenarbeiten.
  4. Es hat sich gezeigt, dass die letzten beiden Veröffentlichungen von Wikileaks (Afghanistan, Irak) durch sinnvolle Visualisierungen der Vorgänge gut aufbereitet werden können. Dafür sollten Ressourcen und Ideen bereit gehalten werden (Stichworte: Karten, Zeitleisten).
  5. Redaktionen sollten zügig Personen bestimmten, die für die Arbeit mit und rund um den Wikileaks Datensatz freigestellt werden.

Stimmt die Informationen in dem eingangs erwähnten Bloomberg-Artikel, könnten die Datensätze bereits morgen veröffentlicht werden. Ist allerdings der Spiegel mit an Bord, dürfte wegen dessen Erscheinungstermin nicht vor der Nacht von Samstag auf von Sonntag auf Montag mit einer Veröffentlichung zu rechnen sein.

3 Gedanken zu „Was tun mit der kommenden Wikileaks Veröffentlichung?“

  1. Danke für diesen Artikel.

    Gerade die Frage, wie sich Redaktionen und Journalisten vorbereiten können, sollte von allen Beteiligten verinnerlicht werden. Denn Journalismus, gerade in den großen Redaktionen, sollte wieder verstärkt seiner gesellschaftlichen Aufgabe gerecht werden…

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